Was ist eine „Klinische Anwendbarkeitsstudie“ und was muss dabei beachtet werden?
Eine „Klinische Anwendbarkeitsstudie“ oder "Clinical Usability Study" ist ein praxisorientierter Begriff, mit der unter klinischen oder realistischen durchgeführte Anwendungsbedingungen gemeint werden.

Weitere gebräuchliche Begriffe im Deutschen sind:
- Klinische Gebrauchstauglichkeitsstudie
- Anwendungsvalidierung in klinischer Umgebung
- Human Factors Validierungsstudie
- Summative Evaluation
Praktische Verwendung des Begriffs
In der Praxis verwenden Hersteller den Begriff "Clinical Usability Study" für Studien, die:
- in klinischen Umgebungen durchgeführt werden, oft mit echten Patienten oder in realen Behandlungssituationen,
- von Ärzt:innen oder klinischem Personal anstelle von Laien-Testpersonen durchgeführt werden,
- realistische Anwendungsbedingungen simulieren oder echte klinische Anwendung einbeziehen,
- "Usability"-Aspekte wie Benutzerfreundlichkeit, Erlernbarkeit und Fehlervermeidung evaluieren.
Spezifische Usability (Benutzerfreundlichkeit)-Anforderungen für Medizinprodukte, ergeben sich sowohl aus der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR 745/2017) als auch dem deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG).
Anforderungen aus der MDR (745/2017)
Die MDR enthält spezifische Anforderungen an die Benutzerfreundlichkeit, die in Anhang I (Annex I) - Allgemeine Sicherheits- und Leistungsanforderungen definiert sind:
Artikel 5 Absatz 2: Medizinprodukte müssen die allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen aus Anhang I erfüllen.
Kapitel II von Anhang I - Anforderungen bezüglich Konstruktion und Herstellung:
- Abschnitt 5: Bei der Beseitigung oder Verringerung von Risiken im Zusammenhang mit Anwendungsfehlern hat der Hersteller Folgendes sicherzustellen:a) Die Risiken im Zusammenhang mit den ergonomischen Merkmalen des Produkts und mit der Umgebung, in der das Produkt verwendet werden soll, sind so weit wie möglich zu verringern (Konzeption im Hinblick auf die Patientensicherheit.
- Gebrauchstauglichkeitsanforderungen: Medizinprodukte müssen so konstruiert sein, dass Anwendungsfehler minimiert werden und die ergonomischen Eigenschaften sowie die Anwendungsumgebung berücksichtigt werden.
In Deutschland ergänzt das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) die MDR um nationale Bestimmungen, ohne jedoch spezifische zusätzliche Usability-Anforderungen zu definieren.
Die relevanten Bestimmungen sind:
- § 11 MPDG - Betreiben und Anwenden von Produkten: Medizinprodukte dürfen nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung und den Herstellerangaben betrieben werden.
- § 24 MPDG - Allgemeine ergänzende Voraussetzungen für klinische Prüfungen: Erweiterte Anforderungen an klinische Prüfungen, die auch Usability-Studien umfassen können.
- § 8 MPDG - Sprachenregelung: Begleitmaterialien müssen in deutscher Sprache abgefasst sein, was die Gebrauchstauglichkeit für deutsche Anwender sicherstellt.
Praktische Umsetzung
Die Usability-Anforderungen werden in der Praxis durch folgende Maßnahmen umgesetzt:
- Human Factors Engineering nach harmonisierten Standards (z.B. IEC 62366-1)
- Usability-Validierungsstudien als Teil der klinischen Bewertung
- Risikomanagement unter Berücksichtigung von Anwendungsfehlern
- Ergonomische Gestaltung der Medizinprodukte
In den offiziellen FDA-Empfehlungsdokumenten wird stattdessen von "Human Factors Validation Testing" oder "Actual-Use Testing" gesprochen.
Human Factors Validation Testing wird im FDA-Empfehlungsdokument "Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices" (Abschnitt 3.7) folgendermaßen definiert:
"Tests, die am Ende des Geräteentwicklungsprozesses durchgeführt werden, um die Benutzerinteraktionen mit einer Gerätebenutzerschnittstelle zu bewerten und Anwendungsfehler zu identifizieren, die zu ernsthaften Schäden für den Patienten oder Benutzer führen würden oder könnten. Human Factors Validation Testing wird auch verwendet, um die Wirksamkeit von Risikomanagement-Maßnahmen zu bewerten. Human Factors Validation Testing stellt einen Teil der Designvalidierung dar."
Praktische Definition: Die summative Bewertung der Gebrauchstauglichkeit mit dem finalen Produkt unter realistischen Bedingungen. Die IEC 62366-1 nennt dies Summative Evaluation.
Demgegenüber wird das Actual-Use Testing (Section 8.3) wird als Sonderform beschrieben: "Aufgrund der Natur einiger Arten von Gerätenutzung und Nutzungsumgebungen, die besonders kompliziert oder schlecht verstanden sein können, könnte es notwendig sein, ein Gerät unter Bedingungen der tatsächlichen Anwendung zu testen."
Beispiele aus FDA-Dokumenten
Der Begriff "Clinical Usability Study" erscheint allerdings auch in verschiedenen FDA-Zulassungsunterlagen:
- 510(k) K182675 (Polygon Resection Device): "Usability and human factors were assessed through a clinical usability study. The subject device was used to remove intrauterine tissue by five physicians with a range of experience in a total of 32 cases"
- NDA 022377 (Migräne-Autoinjector): "No controlled trials are submitted with the NDA, but a single clinical usability study is provided"
- 510(k) K090863 (Personal Wheezometer): "A clinical usability study was performed with the PERSONAL WHEEZOMETERTM"
Regulatorische Einordnung
Nach der FDA-Guidance "Content of Human Factors Information in Medical Device Marketing Submissions" (2022) werden Usability-Studien risikobasiert kategorisiert:
- Category 1: Minimale Usability-Dokumentation erforderlich
- Category 2: Erweiterte Usability-Dokumentation ohne Human Factors Validation Testing
- Category 3: Vollständige Human Factors Validation Testing erforderlich, einschließlich klinischer Usability-Studien wenn angemessen
Diese Studien sind besonders relevant für Medizinprodukte der höchsten Risikokategorie (Category 3) und werden als Teil des Human Factors Engineering-Prozesses zur Sicherstellung der sicheren und effektiven Nutzung von Medizinprodukten eingesetzt.
Quellen: Applying Human Factors and Usability Engineering to Medical Devices, FDA, 2016; Content of Human Factors Information in Medical Device Marketing Submissions, FDA, 2022; Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte; Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG).
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