Was ist die gemeinsame klinische Bewertungen (JCA) für Medizinprodukte & IVD?

Die gemeinsame klinische Bewertung (engl. Joint Clinical Assessment, JCA) ist ein zentrales Element der EU-HT Bewertungsverordnung (EU) 2021/2282 und dient der harmonisierten Bewertung der klinischen Evidenz von Medizinprodukten und IVD in der EU. Es unterstützt Mitgliedstaaten bei Marktzulassungs- und Erstattungsentscheidungen und soll Doppeltests vermeiden.

Die rechtlichen Grundlagen sind definiert in:

  • Verordnung (EU) 2021/2282 (ABl. L 458, 22.12.2021) – HTA-Grundverordnung
  • Durchführungsverordnung (EU) 2025/2086 (ABl. L 202502086) – Verfahren und Dossier-Anforderungen
  • MDR (EU) 2017/745 – Medizinprodukteverordnung und
  • IVDR (EU) 2017/746 – Verordnung über In-vitro-Diagnostika.

1. Struktur des JCA-Dossiers für Medizinprodukte

Das Dossier muss standardisiert nach vorgegebenem Template erstellt werden. Folgende Pflichtangaben sind erforderlich:

1.1 Allgemeine Informationen

Angabe: Details
Rechtsgrundlage:

Basic UDI-DI:
Eindeutige Kennung aus EUDAMED
Rechtsgrundlage: MDR/IVDR

Risikoklasse:
Klassifizierung nach MDR (I, IIa, IIb, III)
Rechtsgrundlage: MDR Anhang VIII

EMDN-Code:
Granularste Ebene der Europäischen Medizinprodukt-Nomenklatur
Rechtsgrundlage: Durchführungsverordnung (EU) 2025/2086, Anhang I

Zweckbestimmung:
Klare Beschreibung der beabsichtigten Verwendung
Rechtsgrundlage: MDR Artikel 2(12)

Kurzbeschreibung:
Funktionsweise, Bestandteile, Anwendungsdauer, Lebensdauer
Rechtsgrundlage: Durchführungsverordnung (EU) 2025/2086, Abschnitt 2.1

Änderungen gegenüber Vorgängerprodukten:
Falls zutreffend
Rechtsgrundlage: MDR Artikel 120

KI/ML-Funktionen:
Bei maschinellem Lernen: Beschreibung der Algorithmen und Datenquellen
Rechtsgrundlage: MDR Anhang I, Kapitel III

1.2 Anforderungen an die Anwendung

  • Durchführungsprozeduren (z. B. chirurgische Schritte, Schulungsbedarf).
  • Organisatorische Voraussetzungen (z. B. qualifiziertes Personal, spezielle Infrastruktur).
  • Zusätzliche Verbrauchsmaterialien (nicht-generische Komponenten).

1.3 Regulatorischer Status

  • Zulassungen in anderen Märkten (USA, UK, Kanada, Japan, Australien, China).
  • Stellungnahmen von Expertengremien (z. B. Clinical Evaluation Consultation Procedure (CECP) nach MDR Art. 54).

2. Struktur des JCA-Dossiers für In-vitro-Diagnostika (IVD)

IVD-spezifische Anforderungen umfassen zusätzlich:

2.1 Produktbezogene Angaben

Die folgenden Pflichtangaben müssen im JCA-Dossier für IVD detailliert beschrieben werden:

  • EMDN-Code
  • Granularste Ebene der Europäischen Medizinprodukt-Nomenklatur (z. B. spezifische Codes für SARS-CoV-2-Tests, Glukosemessgeräte).→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex VI
  • Nachweisziel (Analyt/Marker)Präzise Benennung des gemessenen Parameters, z. B.:
    • Proteine: CRP, HbA1c, PSA, SARS-CoV-2-Spike-Protein
    • Nukleinsäuren: HIV-RNA, HPV-DNA
    • Metabolite: Glukose, Laktat→ Rechtsgrundlage: IVDR Art. 2(2)
  • Testmethode
    • Technologische Klassifizierung, z. B.:
      • Molekularbiologie: PCR, NGS, LAMP
      • Immunassays: ELISA, CLIA, Lateral-Flow-Test (Schnelltest)
      • Biochemie: Enzymatische Tests, Elektrochemie→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex II
  • Automatisierungsgrad
    • Manuell (z. B. Einzelschritt-Tests)
    • Halbautomatisiert (Teilprozesse maschinell)
    • Vollautomatisiert (z. B. Hochdurchsatz-Laborsysteme)→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex I, Kapitel II
  • Quantitative/qualitative Auswertung
    • Quantitativ: Messbereich (z. B. Glukose: 20–600 mg/dl), Nachweisgrenze (LoD), Linearität.
    • Qualitativ: Binäre Ergebnisse (z. B. „positiv/negativ“ bei Schwangerschaftstests).→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex I, 9.1
  • Probenmateria
    • Spezifikation der kompatiblen Proben, z. B.:
      • Vollblut, Serum, Plasma
      • Speichel, Urin, Stuhl
      • Gewebeproben (Biopsien)→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex I, 9.2
  • Zielanwenderkreis
    • Laien (Selbsttests für zu Hause, z. B. Blutzuckermessgeräte)
    • Fachpersonal (Ärzte, Pflegekräfte)
    • Laborpersonal (hochkomplexe Systeme)→ Rechtsgrundlage: IVDR Annex I, 9.3

2.2 Regulatorischer Status

  • Leistungsbewertungsbericht (Performance Evaluation Report, PER) nach IVDR Annex XIII.
  • Zulassungen in Drittländern (FDA, MHRA, PMDA etc.).

3. Bewertungsumfang und Evidenzanforderungen

3.1 PICO-Struktur (Population, Intervention, Comparator, Outcomes)

Die klinische Bewertung folgt dem PICO-Rahmen:

  • Population: Zielgruppe (z. B. Diabetiker, ältere Patienten).
  • Intervention: Das zu bewertende Medizinprodukt/IVD.
  • Comparator: Alternative Behandlungsmethoden/Produkte (falls vorhanden).
  • Outcomes: Klinischer Nutzen, Sicherheit, Kosteneffektivität.

3.2 Systematische Literaturrecherche

  • Datenbanken: PubMed, Cochrane, Embase, EUDAMED.
  • Suchstrategie: Transparente Dokumentation von Suchbegriffen, Einschluss-/Ausschlusskriterien.
  • Studienauswahl: Tabellarische Übersicht der einbezogenen Studien (nach PICO geordnet).

3.3 Darstellung der Ergebnisse

  • Klinische Wirksamkeit (z. B. Sensitivität, Spezifität bei IVD).
  • Sicherheitsdaten (Nebenwirkungen, Risikomanagement).
  • Vergleich mit Alternativen (falls zutreffend).

4. Versionierung und Aktualisierung des Dossiers

Das JCA-Dossier durchläuft mehrere Überarbeitungsstufen. Die Versionshistorie muss im Dossier lückenlos dokumentiert werden. Jede Version erfordert eine klare Benennung und Begründung der Änderungen. Die folgenden Versionstypen sind relevant:

5.1 Versionstypen und deren Zweck

  • V0.1 – Erste EinreichungErstversion des Dossiers, die an die Koordinierungsgruppe für HTA (HTA-CoG) übermittelt wird.→ Rechtsgrundlage: Art. 10(2), VO (EU) 2021/2282
  • V0.2 – Aktualisierung nach Rückfragen der KommissionAnpassungen aufgrund von formalen oder inhaltlichen Rückfragen der EU-Kommission oder der HTA-CoG.→ Frist: Innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Rückfragen (Art. 10(5)).
  • V0.3 – Anpassungen nach PrüferkommentarenÜberarbeitung basierend auf den Bewertungsberichten der HTA-Gremien (z. B. zusätzliche Daten, Klarstellungen).→ Rechtsgrundlage: Art. 11(2), VO (EU) 2021/2282
  • V1.0 – Endgültige, öffentliche VersionFreigegebene Fassung ohne vertrauliche Geschäftsgeheimnisse (z. B. Herstellungsdetails, nicht-öffentliche Studien).→ Wird auf der HTA-Website der EU veröffentlicht (Art. 21, DurchführungsVO 2025/2086).
  • V1.0.1 – V2.0 – Folgende UpdatesNotwendig bei:
    • Neuer klinischer Evidenz (z. B. zusätzliche Studien),
    • Änderungen der Zweckbestimmung,
    • Aktualisierungen aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen (z. B. MDR/IVDR-Updates).→ Rechtsgrundlage: Art. 19, DurchführungsVO 2025/2086

5.2 Pflichtangaben pro Version

Jede Version muss folgende Metadaten enthalten:

  • Versionsnummer (z. B. V0.3),
  • Datum der Erstellung,
  • Verantwortliche Person (Name, Funktion, Kontaktdaten),
  • Zusammenfassung der Änderungen (kurze Beschreibung, warum die Aktualisierung erfolgte),
  • Referenz auf vorherige Version (z. B. „Basierend auf V0.2 mit folgenden Anpassungen: …“).

5.3 Praktische Hinweise für Hersteller

Track Changes nutzen – Änderungen in Word/PDF mit Markierungen kenntlich machen.

Fristen einhalten – Verspätete Einreichungen können zu Verzögerungen bei der Marktzulassung führen.

Vertraulichkeit prüfen – Vor Veröffentlichung als V1.0 müssen Geschäftsgeheimnisse entfernt werden.

Konsistenz mit EUDAMED – Versionsnummern sollten mit den UDI-Datenbank-Einträgen übereinstimmen.

Eine frühzeitige Vorbereitung und enge Abstimmung mit Benannten Stellen sind entscheidend für einen erfolgreichen EU-Marktzugang.

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